Einmal im Jahr feiern wir mit allen Ehrenamtlichen der Alten Villa ein großes Fest – das Ehrenamtsfest.
In diesem Jahr war es ein besonderes Fest, es fand erstmals in den neuen Räumen statt und wir feierten 10 Jahre Engagement in Niendorf.
Das neue Buch WIR- Geschichten aus der Alten Schule (erhältlich in der Alten Villa) wurde veröffentlicht und Maren Gottsmann hielt eine Rede, die die verschiedenen Stationen beleuchtete und die wir hier, nur leicht gekürzt, veröffentlichen:
Es begann mit einer Info-Veranstaltung Anfang Februar 2014 durch den Bezirk zur Niendorfer Straße 99. Und vor Ort war der Saal brechend voll. Vielleicht waren einige von Euch auch dort. Damals. Als wir uns noch nicht kannten.
Listen gingen herum zum Eintragen. Wer kann helfen? Man würde sich bald bei uns melden. Es wurde März, es wurde April.
Das geht so nicht, sagten wir im kleinen Kreis in Niendorf. Der Bezirk macht nichts. Wir müssen was tun. Die Unterkunft wird doch bald kommen!
Und wir kratzen Kontakte zusammen und Menschen mit Erfahrung in Flüchtlingsarbeit.
Und so kam es zum 1.Treffen: Information und Austausch zur Niendorfer Str. 99 am 23. 4. 14, 9 Uhr, Kirche am Markt
Ein erstes Sammeln von: was kommt da auf uns zu. Eine Erstaufnahme – mit 300 Menschen. Was für eine Herausforderung! Ob wir das schaffen würden? Später würden wir bei dieser Zahl und unserer Aufregung darüber lächeln. Da waren wir bei 3000 Menschen.
Wichtig: Rollenklärung. Das was das erste Stichwort im Protokoll. Was machen wir, was die Behörde. Und was machen wir angesichts von Mängeln der behördlichen Arbeit, die angesichts der bisherigen Praxis zu erwarten waren.
Bedarfe: Kleidung. Hygiene – Wir brauchen Sachspenden.
Bedarfe: was gegen Langeweile – wir brauchen Angebote – Sport, Deutsch, Was für die Kinder, Hamburg kennenlernen, offenes Café im Container für Erwachsene.
Wir brauchen: Kompetenzen in Sachen Asylrecht und Behörden.
Wir brauchen : Öffentlichkeitsarbeit für Spenden und Ehrenamtliche
Wir brauchen: Ehrenamtliche
Wir brauchen mehr Menschen und neue Termine und einen Runden Tisch.
Mitte Mai, da waren wir schon doppelt so viele: die Politik war dabei und fördern & wohnen.
Weitere Klärungen von Bedarfen, Aufgabenverteilungen.
Am 17. November gab es DIE Veranstaltung und So viele Ehrenamtliche, die kamen. Und einige von Euch waren da schon dabei.
Da waren bereits Termine für die unterschiedlichen Bereiche verabredet worden und Leitungen für diese Bereiche verabredet. Eine Leitungsrunde bildete sich heraus .
Und so sind wir gewachsen, haben Strukturen aufgebaut. Haben Beziehungen geknüpft. Haben an Erfahrungen anderer anknüpfen können und eigene Erfahrungen weitergegen.
Und: Wir haben einen Namen bekommen – beim Vorbereitungstermin im Tibargcenter für eine Veranstaltung im Dezember 2014 im Center. Da suchten wir einen Titel.
Was mit Flüchtlingen… das wäre nicht so gut, sagte die damalige Leitung. Besser etwas, was für die Gemeinschaft ist, für den Stadtteil. Naja, es ist ja was für Niendorf, meinten wir. Also: Wir für Niendorf. Das wurde von allen für gut befunden. Dagegen konnte doch niemand etwas haben!
Und so wurde das unser Arbeitstitel. Wir für Niendorf.
Am 4.11. der erste Flyer: Vielleicht erinnern sich auch da noch einige dran mit dem sich umarmenden Kreis der stilisierten Männchen als Logo. Wir für Niendorf, Von Anfang an: Ein Netzwerk, ein Beziehungsgeflecht, etwas Lebendiges und Herzliches etwas Dynamisches.
Kleidung wurde gesammelt. Säcke, Tonnenweise. Das Anbringen nahm kein Ende vor dem Gemeindehaus am Markt. Der Container war schnell übervoll. Wir brauchen mehr Platz!
Es wurde der Keller auf dem Tibarg. Auch der wurde voll. Und dann auch nass.
Es kamen Menschen mit Sachspenden. Es kamen Menschen mit Zeitspenden. Manche mit sehr viel, und manche mit sehr begrenzter Zeit. Manche kosteten uns wiederum viel Zeit. Dabei sein war damals was. Erinnert Ihr Euch daran? Dass man etwas verpasste, wenn man nicht auch dabei war bei der Flüchtlingshilfe? Klar. Es gab auch Konflikte. Unter uns. Und mit f&w.
Wir waren immer hochmotiviert. Wir waren oft sehr erschöpft.
Wir haben auch Fehler gemacht. Wir haben wahnsinnig viel gelernt. Wir haben vor allem unglaublich viel bewegt.
Es kam das Fastenbrechen im Immanuel Haus oder im Bistro. Wir hatten extra mit einem Imam gesprochen, der einen Raum vorbereitet hatte um vor dem Essen zu beten. Stundenlanges kochen. Und dann kamen die meist Männer, die alle das Fasten aus ihrer Heimat gar nicht gewohnt waren und jetzt in Deutschland in eine alte aber für sie neue Tradition hineinfinden wollten. Und alle stürzten sich auf das Essen. Nach kürzester Zeit waren die Teller leer. Gut, sagte der Imam. Wir beten einfach nach dem Essen. Sehr flexibel! Und wir vom Team putzen danach bis weit nach Mitternacht.
Als wir dachten: läuft doch, da wurde die Papenreye nachts aufgebrochen. Notunterkunft in Niendorf.
Noch mehr Menschen. Noch mehr Ehrenamtliche. Noch mehr Spenden.
REWE spendete sämtliche Hygieneartikel und Babygläschen. Mit vollen Einkaufswagen über das Kopfsteinpflaster rattern.
Notkleiderausgabe unter freiem Himmel.
Offene Nachmittage: Kommt und macht was mit den Menschen. Malen, Spielen, deutsch lernen. Ein Tibargfest war nichts gegen die Stimmung und Dynamik dieses ersten Wochenendes an der Tennishalle. Ganz Niendorf war auf den Beinen und man versuchte, den Menschen ein Willkommen zu bereiten. Erinnert Ihr Euch an dieses große Miteinander?
Und es kam: Die Schmiedekoppel, der Parkplatz.
Es kam das erste Café Mittenmang im Gemeindehaus. Kein Café international, oder was mit Refugee. Nein. Was von hier. Mittenmang.
Es kam der Ali Müller Cup und Künstlerprojekte. Eine Welt drei Grills. Junge Leute mit viel Power und noch mehr Ideen. Und ganz ohne Kirchenerfahrungen! Ob das gut gehen würde? Es kamen viele weitere neue Ehrenamtliche. Leitungsrunden und Vollversammlungen zusätzlich zum Runden Tisch. Es kamen schon da die regelmäßigen Fortbildungen
Und dann die ALTE Schule. Mitten auf dem Tibarg. Begegnung braucht Raum. Und Raum schafft neue Begegnungen. Eine Mitarbeiterin von HaKiJu kam dazu. Dass es ein WIR mal ohne sie gab?? Wir wurden größer. Vernetzter mit hauptamtlichen Aktiven. Es gab eine eigene Stelle für uns! Und noch mehr aktive Ehrenamtliche. Schneiderwerkstadt, Fahrradwerkstatt. Das Kochen. Deutschkurse, Tanzen, Yoga, Kino, Länderabende. Lesungen. Singen
Es kam Corona. Und der Wasserrohrbruch. Es kam der Angriff auf die Ukraine.
Immer neue Herausforderungen. Sie wurden für uns dennoch zu immer neuen Chancen.
Wir haben all das geschafft.
Wir für Niendorf ist gestartet als eine Initiative, wir wurden ein Verein.
Aber vor allem ist es ein Gefüge von Menschen, die gemeinsam etwas wollen.
Ich hätte niemals gedacht, dass daraus ein Begegnungszentrum am Tibarg werden würde, ich hätte niemals gedacht, dass wir 10 Jahre später mit so vielen Erfahrungen, so vielen Kompetenzen und immer neuen Ideen so selbstverständlich Teil sind von diesem Stadtteil mit so viel Dankbarkeit und Freude, dass es uns gibt. Dass es ein The Village geben würde, wodurch wir den Tibarg mit kreativer und integrativer womenpower gleichsam in die Mitte nehmen. Hättet Ihr das jemals gedacht?
10 Jahre W f N.
Ist das nicht unglaublich?
Ihr seid unglaublich.
Wirklich unglaublich.
Happy Birthday.